Wiener Bürokratie gegen digitale Innovation: Airbnb und Co. durch Covid-19 im Aufwind – VIDEO

Jurist Martin Foerster von Graf & Pitkowitz Rechtsanwälte spricht beim Business Breakfast der American Chamber of Commerce in Austria am Freitagvormittag über rechtliche Rahmenbedingungen und aktuelle Entwicklungen bei Kurzzeitvermietungen.

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Wien (LCG) – „Covid-19 verändert den Markt zugunsten der Serviced Appartements, weil sie mehr Privatsphäre und weniger Kontaktmöglichkeiten als klassische Hotels bieten“, leitet Jurist Martin Foerster in seine Keynote vor den Mitgliedern der US-Handelskammer ein.

Airbnb, 2009 in San Francisco von Joe Gebbia und Nate Blecharczyk gegründet, war Vorreiter für Kurzzeitvermietungen. Dem Modell folgten bald Plattformen wie 9flats, Booking.com, fewo-direkt, housetrip und viele andere mehr. Sie ergänzen den bestehenden Markt von Serviced-Appartements-Anbietern wie LinkedLiving, Harry’s Home, Derag Living Hotels oder Phils Place. Seit dem Ausbruch von Covid-19 sind auch bei Airbnb die Buchungen um 90 Prozent eingebrochen, was zu einem Verlust von 400 Millionen US-Dollar im zweiten Quartal führte.

Während die klassische Hotellerie im Jahresvergleich weltweit um 60 Prozent rückläufig ist, müssen Anbieter wie Airbnb nur ein Minus von 20 Prozent hinnehmen. In den Vereinigten Staaten können Sie außerhalb der großen Städte sogar ein Wachstum von 25 Prozent verzeichnen.

Airbnb entzieht dem Markt weniger Wohnungen als Digitalisierungsfeinden lieb ist

In Österreich sind Anbieter wie Airbnb überdurchschnittlich erfolgreich. Einerseits trägt der starke Tourismus zum hohen Angebot bei, andererseits ist es das enge Mietrechtsgesetz, dem viele private Anbieter durch Kurzzeitvermietungen entkommen wollen. Dadurch werden dem angespannten Mietmarkt zwar Wohnungen entzogen, andererseits öffnen sich zusätzliche Unterkünfte für Touristen, die maßgeblich zur rot-weiß-roten Wertschöpfung beitragen. Etwa 13.000 Einheiten werden in Wien aktuell auf Airbnb angeboten, wovon 4.000 Angebote nur einzelne Zimmer umfassen. Von den verbleibenden 9.000 Einheiten werden 3.000 nur temporär offeriert. Es verbleiben letztlich 6.000 Einheiten, die ganzjährig von Gästen genutzt werden können. Demgegenüber steht eine Million Wohnungen – und jährlich kommen durch Neubauten rund 18.000 bis 19.000 Objekte hinzu.

„Dass Airbnb und Co. dem Markt Wohnungen entziehen, ist eher Populismus als eine fakten- und zahlenbasierte Aussage“, so der Jurist.

Rechtliche Rahmenbedingungen in Wien

Wer vermieten möchte, muss sich in seinem Wohnungseigentumsvertrag absichern. Bei neuen Verträgen ist eine Regelung zu Kurzzeitvermietungen mittlerweile Usus, wobei es keine einheitliche Regelung am Wiener Markt gibt. Gibt es keine Regelung, müssen alle Mit- und Wohnungseigentümer zustimmen. Erfolgt diese nicht, bleibt eine Klage auf Zustimmung, wobei die Judikatur schutzwürdige Interessen der restlichen Eigentümer berücksichtigt. Bei einer gemischten Immobilie, in der beispielsweise Geschäfte und Büros angesiedelt sind, wird die Genehmigung leichter erteilt werden, als in einem reinen Wohnhaus. Wird trotz Verbot vermietet, ist mit einer Unterlassungsklage und im äußersten Fall dem Ausschluss aus der Eigentümergemeinschaft zu rechnen. Bei Mietwohnungen entscheidet der Mietvertrag. Gewinne aus der Airbnb-Vermietung müssen unter Umständen mit dem Vermieter geteilt werden.

Seit 2018 untersagt die Stadt Wien die kurzfristige Vermietung in Wohngebieten, die im Flächenwidmungsplan ersichtlich sind. Allerdings gibt es zahlreiche Ausnahmen: Werden beispielsweise über 80 Prozent der Hausfläche als Wohnungen genutzt, ist auch in Wohngebieten eine Kurzzeitvermietung zulässig. Ebenso in Gebäuden, die vor 1930 errichtet wurden, eine „weiße Widmung“ aufweisen und auch als Geschäftsräumlichkeiten vermietet wurden.


Seit Einführung des Verbots gab es in den letzten eineinhalb Jahren überschaubare 80 Anzeigen durch die Baupolizei.

Stolperstein Gewerberecht und Bürokratie

Die reine Vermietung einer Wohnung unterliegt nicht dem Gewerberecht. Das Angebot von Serviced Appartements verlangt jedoch eine Gewerbeberechtigung. Der Verwaltungsgerichtshof hat einen praxisnahen Zugang gewählt, der sich unter anderem an den Nebenleistungen, dem Außenauftritt und der Form der Kundenverträge orientiert. Die Gewerbeberechtigung stellt per se keinen großen Aufwand dar, zieht aber weitere Maßnahmen wie eine Betriebsanlagengenehmigung nach sich, die zeit- und kostenaufwändig werden können. Weiters ist auch die Wiener Mindestausstattungsverordnung aus dem Jahr 1996 zu erfüllen. Gäste sind an das Meldeamt zu melden und die Ortstaxe abzuführen.

Über die American Chamber of Commerce in Austria

Die American Chamber of Commerce in Austria (AmCham Austria) setzt sich als privatwirtschaftlich organisierte U.S. Handelskammer in enger Zusammenarbeit mit der U.S.-Diplomatie für den Ausbau der Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zwischen Österreich und den Vereinigten Staaten ein. Als aktive Interessensvertretung repräsentiert sie U.S.-Unternehmen, die am österreichischen Markt aktiv sind, und unterstützt österreichische Unternehmen bei ihren Erfolgen in den Vereinigten Staaten. Als Business-Enabler fördert sie die transatlantische Zusammenarbeit und vernetzt gemeinsame Wirtschaftsinteressen. Weitere Informationen auf http://www.amcham.at.

+++ BILDMATERIAL +++
Das Bildmaterial steht zur honorarfreien Veröffentlichung im Rahmen der redaktionellen Berichterstattung zur Verfügung. Weiteres Bild- und Informationsmaterial im Pressebereich auf https://www.leisure.at. (Schluss)

LCG20380, 2020-10-16