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Demokratie, Medien, Politik und Technologie: Filmwirtschaft blickt beim Filmfestival in die Zukunft – BILD

ID: LCG25374 | 28.11.2025 | Kunde: FILMFESTIVAL KITZBÜHEL | Ressort: Medien Österreich | Medieninformation

Panel "Medien und Demokratie" beim Filmfestival Kitzbühel: Roland Weißmann (ORF), Sandra Maischberger (Das Erste), Richard Grasl (KURIER), Alexander Pröll (Staatssekretär für Digitalisierung), Martin Andree (Autor) © BrauerPhotos/Goran Nitschke

Bilder zur Meldung in der Mediendatenbank: © BrauerPhotos/Goran Nitschke

Kitzbühel (LCG) – Als Think Tank für Diskurs, Austausch und Kollaboration ist das Filmfestival Kitzbühel seit 13 Jahren eine feste Größe für die deutschsprachige Film- und Fernsehlandschaft. Zwischen Zuversicht, Selbstreflexion, Medienkrise und Technologieführerschaft bewegen sich die Diskussionen im K3 Kitzkongress am Freitag, bei denen führende Köpfe aus Deutschland und Österreich zu Wort kommen. Drei hochkarätig besetzte Panels analysieren aktuelle Herausforderungen und zeigen mögliche Wege, um das Förderwesen zu verbessern, sich globalen Plattformen zu stellen und digitale Souveränität zu erlangen sowie mit Künstlicher Intelligenz auf der rechtlich sicheren Seite zu arbeiten.

Creative Indusries als Wachstumstreiber: Milliardenmarkt ohne Planungssicherheit – Österreich als Vorzeigemarkt und die Crux mit der Investitionsverpflichtung

Filme aus Deutschland und Österreich sind ein gefragtes Wirtschaftsgut. Mit über fünf Millionen Zuschauern zählt „Das Kanu des Manitu“ zu den erfolgreichsten Filmen der letzten Jahre und auf Streamingplattformen punktet deutschsprachiger Content wie „Crooks“ auf Netflix. Die Filmwirtschaft in Wien ist durch die Fördermodelle FISA plus und ÖFI plus im Gegensatz zu den meisten anderen Branchen um rund acht Prozent gewachsen. Ein Euro Förderung bringt etwa 3,90 Euro Wertschöpfung. Auch die deutsche Anreizförderung schlägt sich bereits in steigender Nachfrage nieder. Der Berufsoptimismus der Produktionswirtschaft hat positive Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft und beflügelt zahlreiche andere Branchen wie beispielsweise den Tourismus oder die Kultur. Länderübergreifende Koproduktionen sind im Zusammenspiel mit durchdachten Förderstrategien eine Tragsäule der Filmwirtschaft.

Michael Paul (Paul und Collegen Consulting) diskutiert mit Oliver Berben (Constantin Film), Lisa Giehl (Leonine Licensing), Michelle Müntefering (Produktionsallianz, Staatsministerin für internationale Kulturpolitk a.D.) und Christian Sommer (Motion Picture Association).

Giehl bezeichnet Österreich als „Filmfördersuperland“ und lobt die Investitionsverpflichtung. Sie attestiert der Alpenrepublik eine hohe Standortattraktivität und Wettbewerbsfähigkeit, während es in Deutschland an politischem Willen und Entscheidungsstärke mangelt. Auch Sommer attestiert Österreich eine beispielgebende Rolle durch Uplifts beispielsweise für Green Productions, mit denen Produktionen gezielt gesteuert werden können. In Deutschland vermisst Berben Planungssicherheit für die Filmwirtschaft durch das zögerliche Vorgehen der Politik. Daraus resultiert die Abwanderung von Produktionen ins Ausland – selbst wenn die Handlung in der Bundesrepublik spielt, wie etwa im Fall des Netflix-Actionthrillers „Exterritorial“, der in Österreich produziert wurde. Planbarkeit, Verlässlichkeit und Vertrauen vermisst auch Sommer in Deutschland. Für ihn sind diese Faktoren wesentlicher als die tatsächliche Höhe der Förderungen. Einig sind sich die Diskutanten über die Gefahren einer nicht zielgerichteten Überförderung, die zu steigenden Preisen und sinkender Qualität führt, die am Publikum vorbeigeht. Investitionsverpflichtungen dürfen nicht dazu genutzt werden, um Löcher im Haushalt zu stopfen, sondern sollen langfristige Investitionen in den Markt ermöglichen. Dazu braucht es jedoch gesetzliche Verpflichtungen und keine Lippenbekenntnisse.

Berben befürchtet in den nächsten Jahren ein „Massensterben“ von Produktionsfirmen, die sich abseits des Mainstreams und in Nischenthemen bewegen. Die Filme sind in der Auswertung nicht mehr refinanzierbar und der Konkurrenzdruck durch globale Plattformen steigt rasant. Der deutschsprachige Film ist zudem mit einer linguistischen Hürde konfrontiert, während spanisch- oder englischsprachige Produktionen Milliardenmärkte auf der ganzen Welt erreichen. Der Erhalt von kulturell hochwertigen Produktionen und einer breiten Vielfalt, die nicht das Massenpublikum adressieren jedoch gesellschaftlichen Mehrwert bieten, wird nur durch gezielte Fördermechanismen möglich sein.

„Der lokale Film macht das Kinogeschäft in Deutschland und Österreich profitabel“, unterstreicht Berben die wirtschaftliche Bedeutung nationaler Produktionen abseits kultureller und gesellschaftlicher Aspekte.

„Österreich hat den Film frühzeitig als Wirtschaftsfaktor erkannt und arbeitet ministerienübergreifend und zielgerichtet zusammen“, führt Müntefering aus. „Die Politik muss den Anspruch haben, durch Gesetze zu gestalten und digitale Plattformen in den juristischen Rahmen der sozialen europäischen Marktwirtschaft fassen“, fordert die ehemalige Staatsministerin hinsichtlich der Investitionsverpflichtungen ein.

Medien und Demokratie: Befreiung statt Regulierung als gangbarer Weg bei der „KURIER“-Diskussion

Aus Idealisten, die in Garagen begonnen haben, wurden Dark-Tech-Konzerne. Sie greifen gemeinsam mit der US-Regierung, der militärischen Bedrohung durch Russland und populistische Strömungen das mediale und demokratische System Europas an. 60 Prozent der medialen Aufmerksamkeit entfallen auf digitale Medien, wobei die Tech-Monopole nahezu den gesamten Traffic beherrschen und die Meinungsbildung in der Bevölkerung prägen. Monopolistische Konzerne und ihre Algorithmen bestimmen den Informationsfluss und bauen ihr Geschäftsmodell auf Traffic-Manipulation auf. Sie zwingen redaktionelle Medien in ein Wettbewerbsverhältnis und fördern die Spaltung der Gesellschaft. Die US-Regierung arbeitet in einer Koalition mit den Tech-Konzernen, mit denen sie eine gemeinsame Agenda verfolgt.

Auf Einladung des „KURIER“ diskutieren über die Zukunft von Medien und Demokratie Digitalexperte und Autor Martin Andree, Journalistin Sandra Maischberger (Das Erste), Alexander Pröll (Staatssekretär für Digitalisierung) und Roland Weißmann (ORF) mit Richard Grasl (KURIER) und Martin Gebhart (KURIER).

Maischberger hält die etablierten Medien nach wie vor für den „Goldstandard“ in der Wahrnehmung. Etablierte Medien müssen dafür eintreten, dass ihre Relevanz in der politischen Diskussion erhalten bleibt, während manche Parteien den direkten Kommunikationsweg mit der Bevölkerung wählen. Sie warnt vor der Meinungsmache in sozialen Medien, die verstärkt von Bots getrieben wird.

„Die Fehlerkultur ist ein Atout der etablierten Medien, mit dem sie Glaubwürdigkeit gewinnen können“, ist Maischberger überzeugt.

Soziale Medien haben sich laut Digitalisierungsstaatssekretär Pröll zu Social Entertainment verwandelt. Der Abzug von Daten hat Europa zur Kolonie der Vereinigten Staaten und China gemacht. Die österreichische Charta, der alle EU-Mitgliedsstaaten beigetreten sind, ist ein wichtiger Schritt, um Europas digitale Souveränität wiederherzustellen. Mit Künstlicher Intelligenz ist jeder Mensch in der Lage, seine eigene Wirklichkeit zu verbreiten und durch social Entertainment ein Milliardenpublikum zu erreichen, das diese Inhalte konsumieren will. Er befürwortet ein Social-Media-Verbot für unter 14-Jährige, die Förderung der Medienkompetenz und erkennt eine kognitive Krise in der Gesellschaft durch die globalen Plattformen, die Emotionen wie Wut und Aggression schürt.

„Die globalen Plattformen zerstören durch social Entertainment die Diskussions- und Gesprächskultur. Es geht nicht mehr um ein halbvolles oder halbleeres Glas, sondern die Existenz des Glases. Dagegen kann Europa nur geeint vorgehen und hat mit dem Digital Services Act das Werkzeug in der Hand“, führt Pröll aus. „Als größter Binnenmarkt der Welt kann Europa selbstbewusst und klug regulieren und gleichzeitig entbürokratisieren, um wieder auf eigenen Beinen zu stehen.“

Europas Marktkapitalisierung in der digitalen Welt liegt laut Andree bei zwei Prozent, während die Vereinigten Staaten 86 Prozent auf sich vereinen. Er mahnt vor totaler Erpressbarkeit und Abhängigkeit Europas von den USA. Den globalen Plattformen wurden zu viele Rechtsprivilegien eingeräumt, um ihre digitalen Mauern zu errichten, die ihre Vormachtstellung ermöglicht haben. Sie monetarisieren Inhalte, ohne den Regulierungen für Inhalteanbieter zu unterlegen. Er fordert den Digitalfeudalisten, ihre Privilegien abzunehmen und bestehendes Recht umzusetzen.

„Produkte, die augenscheinlich nichts kosten, kosten uns unsere Freiheit“, spitzt Andree zu. Sein Aufruf lautet: „Wir müssen das Netz wieder befreien und nicht überregulieren! Dark-Tech-Konzerne ignorieren rechtsstaatliche Prinzipien und Gesetze.“

Der ORF-Generaldirektor setzt sich für einen gesetzlichen Rahmen ein, der Qualitätsmedien zur demokratiepolitischen Grundversorgung der Bevölkerung mit Nachrichten durch einen Schutzmechanismus stärkt. Es geht darum, den Medienstandort Österreich in der übermächtigen Konkurrenz mit den globalen Plattformen abzusichern, indem man Wettbewerbsgerechtigkeit und gleiche Rahmenbedingungen schafft. Die Stärke der heimischen Anbieter liege in österreichischem Qualitätscontent, so der ORF-Generaldirektor.

„Wir können die Entwicklung nicht umkehren, aber durch Gesetze auf nationaler und europäischer Ebene regeln“, analysiert Weißmann. „Eine zentrale Frage ist dabei auch die Auffindbarkeit des österreichischen Contents – eines der Themen, für das sich der ORF gemeinsam mit VÖP und VÖZ in den kommenden Monaten im Rahmen unserer Kooperation verstärkt einsetzen wird!“

„Qualitative Medien müssen sich gegenüber Leserinnen und Lesern sowie Gerichten verantworten, während unsoziale Plattform sich einen nahezu rechtsfreien Raum geschaffen haben“, erklärt Grasl. „Das Schweigen der Behörden zum Agieren der Big-Tech-Firmen ist unverständlich!“

„Aktuell entscheiden die Algorithmen über den wirtschaftlichen Erfolg qualitativer Medien“, berichtet Gebhart aus der Praxis des ungleichen Wettbewerbs.

Künstliche Intelligenz: Erfolgreicher Einsatz und rechtliche Fragestellungen

Schon traditionell liefert das Filmfestival Kitzbühel ein Update zu den Entwicklungen rund um Künstliche Intelligenz in der Filmwirtschaft. Alexander Hofmann (Baker McKenzie), Eric Lehmann (Constantin Film) und Alexandra Streichfuss (SKW Schwarz) werfen gemeinsam mit Michael Paul (Paul und Collegen Consulting) juristische, ökonomische und technische Blicke auf den Einzug der Technologie in die Filmwirtschaft.

Lehmann thematisiert die sehr schnelle strukturelle Veränderung in allen Unternehmensbereichen entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Vorteile sieht er in der Verkürzung der Zeitphase zwischen kreativer Entstehung und Auswertung eines Films, die derzeit noch bei rund zwei Jahren liegt. Trends und Themen sollen rascher ins Kino und Fernsehen gebracht werden, um sozialen Medien nicht den Vorsprung zu lassen. Die Einsatzmöglichkeiten im Film selbst sind grundsätzlich nicht neu, entwickeln sich technologisch konstant weiter. Erlebbar wurde Künstliche Intelligenz beispielsweise für „Pumuckl“-Fans, die in den neuen Folgen die vertraute Stimme von Hans Clarin hören. Nicht alles, was technisch möglich ist, wird derzeit bei Constantin Film auch umgesetzt – in vielen Fällen ist der Mensch nicht nur authentischer, sondern auch noch schneller.

„Wir greifen mit Künstlicher Intelligenz derzeit nicht in den kreativen Prozess ein und sind von der Schöpfungskraft qualifizierter Menschen überzeugt“, berichtet Lehmann aus der Praxis.

Am wenigsten wird eingesetzt, was Schauspielern die größte Sorge bereitet: in einer zweiten Staffel durch ein Avatar ersetzt zu werden. Gefährdet sind Juristin Streichfuss zufolge im derzeitigen Entwicklungsstadium Lektorate und Synchronsprecher. Schon heute ist es Praxis, dass eingesendete Drehbücher durch Künstliche Intelligenz vorselektiert werden, bevor sie zu den menschlichen Entscheidungsträgern gelangen.

In der wachsenden Vielfalt von KI-Tools sieht Hofmann das Problem, dass User den Überblick verlieren, welche Technologie sie wofür rechtssicher nutzen dürfen. Datenbasis, Dokumentation und Überprüfung kommen häufig zu kurz. User müssen nicht nur im technischen Umgang mit Künstlicher Intelligenz geschult werden, sondern auch eine Sensibilität für den rechtlichen Rahmen entwickeln. International agierende Unternehmen sind durch die nationale Rechtsprechung gefordert. Lasche Regulierungen können zu einer geografischen Verlagerung von Produktionen führen und gleichzeitig die Auswertung einschränken oder begünstigen. Schon jetzt schließen manche Broadcaster KI-generierte Inhalte aus, wodurch sich die Komplexität in Produktion und Distribution weiter erhöht.

Als besonders kritisch sehen die Juristen Künstliche Intelligenz im Casting-Prozess, zumal hier personenbezogene sensible Daten verarbeitet werden.

„Es bleibt die Quadratur des Kreises: Ein rigides Urheberrecht kann zum Wettbewerbsnachteil werden“, meint Streichfuss.

Über das Filmfestival Kitzbühel

Seit 2013 ist das von Michael Reisch, Mike Mayr-Reisch, Nina Hipfl-Reisch, Kathryn Perrotti und Josef Obermoser gegründete Filmfestival Kitzbühel Anziehungspunkt für die deutschsprachige Film- und Fernsehszene. Neben einem kuratierten Publikumsprogramm verschreibt sich das Filmfestival Kitzbühel unter der Leitung von Direktor Markus Mörth der Nachwuchsförderung. Zahlreiche Networking-Formate wie „FFKB Connect“, Experten-Panels und der Think Tank machen das Filmfestival Kitzbühel zur Diskursplattform für die Film-, Unterhaltungs- und Kulturwirtschaft. Die Drehbuchklausur gibt jungen Talenten drei Wochen lang die Möglichkeit, ihre Stärken zu vertiefen und gemeinsam mit international anerkannten Experten an ihrem dramaturgischen Werk zu arbeiten. 2025 wird erstmals die „KURIER ROMY“ im Rahmen des Filmfestival Kitzbühel verliehen. Weitere Informationen auf ffkb.at

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